Auch gegen Wölfe Naturschützer helfen Schäfern
Arnold Rieger, 31.01.2014 14:02 UhrSchäfer haben nichts gegen Natur, wohl aber gegen Raubtiere. Das Verhältnis zum Nabu mit dessen Begeisterung für Wölfe ist deshalb zwiespältig. Doch die Naturschützer sind eine starke Lobby – und die können die Schäfer gut gebrauchen.
Stuttgart - Trotz Differenzen über den Umgang mit Wölfen, Luchsen und Kolkraben haben der Landesschafzuchtverband und der Nabu-Landesverband am Donnerstag eine weitreichende Zusammenarbeit vereinbart. Sie sieht gemeinsame Aktionen zur Förderung der Schäferei, ideelle Unterstützung, aber auch Hilfe beim Schutz der Schafherden vor.
„Wenn wir einmalige Lebensräume erhalten wollen, geht das nicht ohne Schäferei“, sagte Nabu-Landeschef André Baumann in Stuttgart. So könnten die für ihre Pflanzenvielfalt berühmten Wacholderheiden auf der Schwäbischen Alb nur überleben, wenn sie abgeweidet werde, sagte der Biologe, der über die Wechselwirkung zwischen Schäferei und Pflanzen promoviert hat. Dass pro Quadratmeter bis zu 40 Arten vorkommen, liegt laut Baumann daran, dass Schafe in Fell und Magen Samen verbreiten. Seit 4000 Jahren trügen sie somit zur biologischen Vielfalt bei.
Baden-Württembergs 3800 Schafhalter mit ihren rund 216 000 Tieren blicken aber offenbar in eine düstere Zukunft. „Es gibt 30 Prozent weniger Tiere als noch vor fünf Jahren“, sagte der Vorsitzende des Landesschafzuchtverbands, Alfons Gimber. Die Branche drückten Nachwuchssorgen, was hauptsächlich an den geringen Verdienstmöglichkeiten liege.
35 000 Euro Gewinn macht ein Betrieb im Durchschnitt eines Jahres, rechnete der Verbandschef vor. Das ergebe einen Stundenlohn von nicht einmal fünf Euro. „Mit einem Mindestlohn von 8,50 Euro wären wir schon zufrieden“, sagte Vorstandsmitglied Harald Höfel. Ihren Beitrag zum Naturschutz sehen die Schafzüchter jedenfalls nur unzureichend gewürdigt.
In ihrem Bemühen um zusätzliche Fördermittel aus den Landestöpfen sollen sie jetzt die Naturschützer unterstützen. Der Nabu-Landesverband, mit 80 000 Mitgliedern (deutlich mehr als die Landes-CDU) eine machtvolle Lobby, macht sich denn auch die Forderungen des Schafzuchtverbands zu eigen. „Gerade wird ein neues Meka-Programm gestrickt“, sagte Baumann mit Blick auf den Topf, aus dem das Land mit EU-Hilfe Naturschutzleistungen der Bauern honoriert, „damit kann man ein Zeichen zur Stärkung der Schafzucht setzen.“
Auch sogenannte Weideprämien, also eine finanzielle Förderung von Tieren, die auf die Weide dürfen, müssten die Schäfer bekommen, meinen beide Verbände. Bisher denke die Landesregierung nur daran, diese Prämie für Rinder zu bezahlen. „Gäbe es eine Weideprämie, würde mancher Züchter seinen Schafbestand aufstocken“, glaubt Vorstandsmitglied Höfel.
Schwierigkeiten bereitet es den Schäfern aber auch, mit ihren Herden von Weide zu Weide zu ziehen. Zwar gibt es alte Betretungsrechte, doch die Landwirte stellen sich oft quer. Nabu und Schafzuchtverband fordern, diese Rechte zu stärken.
Baumann zählt Wacholderheiden zu den ältesten Kulturlandschaften in Europa und stuft ihre Bedeutung „ähnlich hoch wie das Freiburger Münster“ ein. Deshalb hält er es für angemessen, dass die jahrtausendealte Wanderschäferei von der Unesco als immaterielles Kulturerbe anerkannt wird. Baden und Württemberg seien noch im 19. Jahrhundert „das Schäfereiland Europas“ gewesen.
Die Schafzüchter lassen sich die Hilfe der Naturschützer gern gefallen – obwohl sie deren Begeisterung für Raubtiere wie Luchs oder Wolf nicht teilen. „Wir hoffen, dass der Wolf noch länger braucht, bis er kommt“, sagte Verbandschef Gimber, fügte allerdings hinzu: „Wenn er kommt, ist er halt da, daran kann ich auch nichts ändern.“
Für diesen Fall hat der Nabu Hilfe auf mehreren Ebenen zugesagt. So haben die Naturschützer bereits zwei sogenannte Herdenschutzhunde trainiert. Das seien keine Hütehunde, sondern Tiere, die schon als Welpen in einer Schafherde gelebt hätten und diese also beschützten, falls ein Wolf angreife. In der Lausitz (Brandenburg, Sachsen), wo wieder zahlreiche Wölfe leben, funktioniert dies offenbar. Ob dies auch im dicht besiedelten Baden-Württemberg der Fall ist, darüber streiten sich die Gelehrten allerdings noch.
„Wir wollen gemeinsam Lösungen finden“, sagte Baumann und versicherte, auch die örtlichen Nabu-Gruppen seien zur Hilfe bereit.
Auf den Einwand, die Schäfer ließen sich ihr Wohlwollen gegenüber dem Wolf abkaufen, sagte Gimber: „Der Wolf wird sowieso kommen, ob der Nabu das will oder nicht.“ Da sei es doch besser, gemeinsam Strategien zu entwickeln, anstatt gegeneinander zu arbeiten.
Biologen rechnen damit, dass Wölfe über kurz oder lang im Schwarzwald auftauchen – so wie sie seit einigen Jahren auch wieder in den Hochvogesen umherstreifen. Dort wurden im vergangenen Sommer sogar Spuren von Welpen entdeckt. Baumann schließt daraus: „In einem halben Tag können sie hier sein.“ In den Schweizer Alpen und im Jura leben wieder größere Wolfspopulationen.
Um darauf vorbereitet zu sein, hat die Landesregierung vor kurzem einen „Handlungsleitfaden Wolf“ vorgestellt. Darin ist festgelegt, wie die Behörden vorgehen sollen, wer zuständig ist und wie der Schadenausgleich für gerissene Tiere funktioniert. Naturschutz- und Jagdverbände haben dafür außerdem einen Ausgleichsfonds gegründet.